Außerordentliche Kündigung wegen Löschung betrieblicher Dateien und E-Mails

Löscht ein Arbeitnehmer erforderliche betriebliche Dateien und/oder E-Mails unberechtigt und entzieht sie so dem Zugriff des Arbeitgebers, ist ein solcher Sachverhalt grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben.

Vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg stritten zwei Parteien im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit zweier fristloser arbeitgeberseitiger Kündigungen des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie über Schadensersatzansprüche, die die Beklagte gegen den Kläger geltend macht.

Der Kläger hatte bei der Beklagten sein Arbeitsverhältnis gekündigt und das ihm überlassene Notebook sowie iPhone zurückgegeben.

Eine erste technische Prüfung des vom Kläger zurückgegebenen Notebooks ergab, dass der Kläger vor der Rückgabe des Notebooks sämtliche E-Mails aus dem Posteingangsfach und weiteren diversen Postfächern vorläufig und schließlich durch das Leeren des Papierkorbs permanent gelöscht hatte. Außerdem übertrug er Dateien, auch eigene private, auf zwei USB-Sticks und auf eine externe Festplatte. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos.

In dem von der Beklagten eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahren verurteilte das Landesarbeitsgericht Hamburg den Kläger, es zu unterlassen, diejenigen elektronischen Dateien, die er auf eigene Speichermedien übertragen hat, im geschäftlichen Verkehr zu nutzen oder an einen Dritten weiter zu geben.

Im Gegenzug erhob der Arbeitnehmer Klage gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses aufgrund der beiden fristlosen Kündigungen.

Mit einer Widerklage hat die Beklagte Herausgabe-, Löschungs- und Unterlassungsansprüche in Bezug auf betriebliche Daten geltend gemacht. Mit einer Widerklageerweiterung hat die Beklagte zudem Schadensersatz für die ihr nach Ausspruch der fristlosen Kündigungen entstandenen Ermittlungskosten einschließlich der Kosten für beauftragte Rechtsanwälte begehrt.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat mit seinem Urteil u. a. festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten beendet worden sei, und hat die auf Zahlung gerichtete Widerklage abgewiesen. Es hat hierzu ausgeführt, beide Kündigungen habe der Kläger rechtzeitig mit seiner Klage angegriffen. Für beide Kündigungen fehle es an einem wichtigen Grund. Das mutwillige Löschen wichtiger betrieblicher Daten komme zwar als wichtiger Grund an sich in Betracht. Dem Vortrag der Beklagten sei aber nicht zu entnehmen, welche konkreten, für sie wichtigen Daten der Kläger gelöscht haben soll. Auch die rechtswidrige Übertragung projektbezogener und administrativer elektronischer Daten auf externe Datenträger, das Weiterleiten von Daten zum Projekt A. für die Auseinandersetzung des Klägers mit der Beklagten im Zusammenhang mit dem diesbezüglichen Provisionsanspruch sowie eine Nicht-Herausgabe rechtswidrig kopierter Daten an die Beklagte kämen als wichtiger Grund in Betracht. Jedenfalls aber führe die Interessenabwägung im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass kein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB vorliege. Umfangreiches Löschen dienstlicher E-Mails komme als wichtiger Grund ebenso an sich i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht. Dem Vortrag der Beklagten sei allerdings nicht, auch nicht beispielhaft, zu entnehmen, um welche wichtigen dienstlichen E-Mails es sich gehandelt haben soll. Auch diesbezüglich führe die Interessenabwägung im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass kein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB vorliege.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt.

Auszüge aus dem Urteil des LAG Hamburg

Das LAG Hamburg erklärt die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg als zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung nicht beendet worden und somit unwirksam. Es fehle an einem wichtigen Grund i.S.v. § 626 BGB.

Zudem stellte das LAG im Rahmen seines Urteils folgende Leitsätze auf:

  1. Löscht der Arbeitnehmer erforderliche betriebliche Dateien und/oder E-Mails unberechtigt und entzieht sie so dem Zugriff der Arbeitgeberin, ist ein solcher Sachverhalt grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben. Allerdings genügt für den Vortrag der Arbeitgeberin nicht der Verweis auf Tabellen mit gelöschten Dateien und E-Mails, wenn der Arbeitnehmer sich darauf beruft, es handele sich um überholte Entwurfsfassungen und/oder die Dateien seien in den Projektordnern weiterhin vorhanden oder es handele sich um private E-Mails.
  2. Das bloße Kopieren von Daten, ohne dass diese dem Zugriff der Arbeitgeberin entzogen oder anderweitig rechtswidrig verwendet werden, ist kein an sich für einen wichtigen Grund geeigneter Sachverhalt. Anders ist es, wenn der Arbeitnehmer Kopien betrieblicher Dateien, die er in seinem Besitz hat, pflichtwidrig nicht an die Arbeitgeberin herausgibt. Es ist Sache der Arbeitgeberin, einen vom Arbeitnehmer geleisteten konkreten Vortrag zu der von ihm behaupteten Rückgabe kopierter Dateien zu widerlegen und ggf. zu beweisen.
  3. Ein Anspruch auf Ersatz erforderlicher Ermittlungskosten setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der Durchführung der jeweiligen Ermittlungsmaßnahmen ein konkreter Verdacht eines erheblichen Fehlverhaltens gegen den Betroffenen besteht.

Fundstelle: Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 17.11.2022, 3 Sa 17/22 – abrufbar im Internet beispielsweise unter https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/JURE230042260