BAG legt EuGH Fragen zur Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten vor

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dem Europäischen Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen dahingehend vorgelegt, ob die Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten nach § 38 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG im Widerspruch zur DSGVO steht.

Ein Betriebsratsvorsitzender, der gleichzeitig das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden des „Gesamtbetriebsrats“, der für drei in Deutschland ansässigen Konzernunternehmen tätig war, wurde von der Muttergesellschaft seines Arbeitgebers sowie von deren weiteren in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaften jeweils gesondert zum Datenschutzbeauftragten bestellt.

Auf Veranlassung des für die Muttergesellschaft der Beklagten zuständigen Thüringer Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit widerriefen alle in Deutschland ansässigen Konzernunternehmen die Bestellung des Klägers zum Datenschutzbeauftragten mit sofortiger Wirkung.

Mit seiner Klage gegen die Abberufung als Datenschutzbeauftragter hat der Kläger geltend gemacht, seine Rechtsstellung als betrieblicher Datenschutzbeauftragter bestehe unverändert fort. Sein Arbeitgeber als Beklagte hat die Auffassung vertreten, es drohten Interessenkonflikte, wenn der Kläger zugleich Datenschutzbeauftragter und Betriebsratsvorsitzender sei. Dies führe zu einer Unvereinbarkeit beider Ämter, so dass ein wichtiger Grund zur Abberufung des Klägers gegeben sei.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben, wogegen die Beklagte Revision einlegte. Der Erfolg dieser Revision hängt von der Auslegung des Unionsrechts ab. Nach § 38 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG ist die Abberufung des Datenschutzbeauftragten nur in entsprechender Anwendung des § 626 BGB und damit aus wichtigem Grund zulässig. Die Bestimmungen des BDSG knüpfen damit die Abberufung des Datenschutzbeauftragten an strengere Voraussetzungen als das Unionsrecht, das in Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO vorsieht, dass der Datenschutzbeauftragte von den Verantwortlichen wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden darf.

Zur Klärung dieses Sachverhalts hat der BAG den EuGH um die Beantwortung folgender Fragen ersucht:

1.  Ist Art. 38 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden DSGVO) dahin auszulegen, dass er einer Bestimmung des nationalen Rechts, wie hier § 38 Abs. 1 und Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 4 Satz 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG), entgegensteht, die die Abberufung des Datenschutzbeauftragten durch den Verantwortlichen, der sein Arbeitgeber ist, an die dort genannten Voraussetzungen knüpft, unabhängig davon, ob sie im Wege der Erfüllung seiner Aufgaben erfolgt?

Falls die erste Frage bejaht wird:

2.  Steht Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO einer solchen Bestimmung des nationalen Rechts auch dann entgegen, wenn die Benennung des Datenschutzbeauftragten nicht nach Art. 37 Abs. 1 DSGVO verpflichtend ist, sondern nur nach dem Recht des Mitgliedstaats?

Falls die erste Frage bejaht wird:

3.  Beruht Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage, insbesondere soweit er Datenschutzbeauftragte erfasst, die in einem Arbeitsverhältnis zum Verantwortlichen stehen?

Falls die erste Frage verneint wird:

4.  Liegt ein Interessenkonflikt i. S. v. Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DSGVO vor, wenn der Datenschutzbeauftragte zugleich das Amt des Vorsitzenden des in der verantwortlichen Stelle gebildeten Betriebsrats innehat? Bedarf es für die Annahme eines solchen Interessenkonflikts einer besonderen Aufgabenzuweisung innerhalb des Betriebsrats?

Fundstelle: Beschluss des BAG vom 27.04.2021, 9 AZR 383/19 (A) – abrufbar im Internet beispielsweise unter https://www.bag-urteil.com/27-04-2021-9-azr-383-19-a/