Beseitigungsanspruch des Betriebsrats bei Verletzung des Mitbestimmungsrechts

Ein dem Betriebsrat bei der Verletzung eines Mitbestimmungsrechts zustehender Beseitigungsanspruch erfasst nur die Beendigung des betriebsverfassungswidrigen Zustands, nicht aber die Rückgängigmachung sich aus der Verletzung des Mitbestimmungsrechts ergebender Folgen.

Sachverhalt

Die verklagte Arbeitgeberin nutzt im Betrieb für die E-Mail-Kommunikation das Softwareprogramm „Outlook“, für das ein Exchange-Server Dienste zur Verfügung stellt. Der Einführung und Anwendung der hierfür erforderlichen Anwendungen stimmte der Betriebsrat zu.

Die Arbeitgeberin leitete eine interne Untersuchung zur Klärung strafrechtlich relevanter Vorwürfe u. a. gegen einen ihrer damaligen Geschäftsführer ein. Die Ermittlungen wurden von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und einer Rechtsanwaltskanzlei unterstützt. Im Rahmen der Untersuchung überprüfte die Arbeitgeberin die E-Mail-Postfächer des Geschäftsführers, verschiedener leitender Angestellter und weiterer Arbeitnehmer, sicherte E-Mails – um deren Löschung zu verhindern – und leitete sie zum Zwecke der Auswertung an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und die Rechtsanwaltskanzlei weiter.

Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, ihm habe bei der Auswertung, Sicherung und Weiterleitung des E-Mail-Verkehrs der Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zugestanden. Zur – ggf. noch nachträglichen – Ausübung dieses Mitbestimmungsrechts, zumindest aber für die Geltendmachung von Beseitigungsansprüchen wegen dessen Verletzung benötige er die Namen der betroffenen Arbeitnehmer sowie den Grund für die Überprüfung ihrer E-Mails. Auch § 12 BV 2010 stütze sein Auskunftsbegehren. Die Arbeitgeberin sei zudem verpflichtet, den durch die Weiterleitung von personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer an die beiden beauftragten Firmen entstandenen, mitbestimmungswidrigen Zustand zu beseitigen und künftig die Auswertung von E-Mails der Arbeitnehmer sowie ihre Speicherung oder Weiterleitung an Dritte zu unterlassen.

Das zuständige Arbeitsgericht hat den Anträgen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde der Arbeitgeberin die Anträge teilweise abgewiesen.

Aus den Urteilsgründen

Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Hieraus folgt ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats, soweit die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist. Anspruchsvoraussetzung ist damit zum einen, dass überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben ist, und zum anderen, dass im Einzelfall die begehrte Information zur Wahrnehmung der Aufgabe erforderlich ist. Dies hat der Betriebsrat darzulegen. Erst anhand dieser Angaben können der Arbeitgeber und im Streitfall das Arbeitsgericht prüfen, ob die Voraussetzungen einer Auskunftspflicht sowie eines damit korrespondierenden Auskunftsanspruchs vorliegen. Ein allgemein gehaltener Hinweis des Betriebsrats auf seine gesetzlichen Aufgaben unter Wiederholung des Gesetzeswortlauts ist nicht ausreichend. Stützt sich der Betriebsrat auf eine Überwachungsaufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG muss er die konkrete normative Vorgabe, deren Durchführung er überwachen will und die sein Auskunftsverlangen tragen soll, aufzeigen. Dies gilt insbesondere, wenn er sich auf ein normativ geltendes Regelwerk mit mehreren und unterschiedlichen (Schutz-)Bestimmungen zugunsten der Arbeitnehmer bezieht. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, ohne solche Angaben von Amts wegen zu prüfen, welche Aufgaben den Auskunftsanspruch stützen und aus welchen Gründen die verlangte Information für die Durchführung dieser Aufgabe benötigt werden könnte.

Ausgehend hiervon kann sich der Betriebsrat für sein Auskunftsbegehren nicht auf seine nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bestehende Aufgabe berufen, die Einhaltung des § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG zu überwachen.

Für die Einhaltung der Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG kommt es nicht darauf an, wie die Arbeitnehmer, die von einer zum Zwecke der Strafverfolgung erfolgten Datenverarbeitung der Arbeitgeberin betroffen sind, heißen. Auch die vom Betriebsrat erstrebte Auskunft, aus welchem Grund die E-Mails der Arbeitnehmer behandelt wurden, ist nicht geeignet – und daher auch nicht erforderlich –, um festzustellen, ob die Arbeitgeberin die Vorgaben dieser Norm beachtet hat. Mit der bloßen Angabe, ob es gegen den betroffenen Arbeitnehmer einen gegen ihn gerichteten Verdacht gab oder sich eine auf ihn bezogene E-Mail im Postfach eines verdächtigten Mitarbeiters befand, kann der Betriebsrat weder erkennen, ob – und ggf. welche, von der Arbeitgeberin dokumentierte – tatsächliche Anhaltspunkte einen Anfangsverdacht für eine Straftat begründet haben, noch, ob die von ihr durchgeführte Datenverarbeitung zu deren Aufdeckung erforderlich und im Hinblick auf die schutzwürdigen Interessen der hiervon betroffenen Arbeitnehmer geeignet sowie angemessen war.

Der Betriebsrat kann sein Unterrichtungsverlangen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BetrVG auch nicht auf ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG stützen.

Soweit er vorbringt, er benötige die Auskünfte zur Prüfung eines ihm bei der Kontrolle und der Auswertung des E-Mail-Verkehrs der Arbeitnehmer zustehenden Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, kann vorliegend dahinstehen, ob eine solche Aufgabe des Betriebsrats (noch) besteht. Denn jedenfalls erschließt sich nicht, wieso er die mit dem Unterrichtungsverlangen geforderten Informationen für die Vorbereitung einer – ggf. „nachträglichen“ – Ausübung seines Mitbestimmungsrechts benötigt. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG knüpft an die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen an, die geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Die vom Betriebsrat verlangten Auskünfte beziehen sich weder auf die technischen Einzelheiten einer von der Arbeitgeberin an-gewendeten Überwachungseinrichtung noch auf das konkrete technische Vorgehen der Arbeitgeberin bei der Überprüfung, Speicherung und Sicherung des elektronischen Schriftverkehrs der Arbeitnehmer. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, welchen Erkenntnisgewinn sich der Betriebsrat aus den Namen der von der E-Mail-Auswertung betroffenen Arbeitnehmer für die Ausübung seines – von ihm ohnehin schon angenommenen – Mitbestimmungsrechts verspricht.

Entsprechendes gilt, soweit der Betriebsrat sich darauf beruft, er benötige die begehrten Informationen, um Beseitigungsansprüche wegen Verletzung seines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geltend zu machen. Angesichts der mit den Anträgen zu 2. und 3. vom Betriebsrat bereits verfolgten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gegen die Arbeitgeberin ist nicht erkennbar, warum eine Kenntnis der Namen und des „personenbezogenen Anlasses“ der auf sie bezogenen E-Mail-Auswertung für die Durchsetzung von entsprechenden Beseitigungsansprüchen unerlässlich sein soll.

Aus den angeführten Gründen hat das Einwirkungsbegehren keinen Erfolg. Der Betriebsrat kann sein Verlangen nicht auf den aus § 87 BetrVG folgenden Beseitigungsanspruch stützen. Dies folgt bereits daraus, dass ein solcher Anspruch nur auf eine Beseitigung des betriebsverfassungswidrigen Zustands, nicht aber auf eine weitergehende – vorliegend erstrebte – Folgenbeseitigung gerichtet sein kann.

Fundstelle: Beschluss des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 23. März 2021 (1 ABR 31/19) – abrufbar im Internet beispielsweise unter https://www.bundesarbeitsgericht.de/wp-content/uploads/2021/07/1-ABR-31-19.pdf