Betriebsrat hat keinen Anspruch auf dauerhafte Überlassung der Listen über die Bruttolöhne und -gehälter

Ein Betriebsrat darf zwar Einblick in die aktuellen Listen über die Bruttolöhne und -gehälter nehmen, aber nur soweit dies zur Durchführung von Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist.

Sachverhalt:

Unter Hinweis auf das Entgelttransparenzgesetz, seine Förderaufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG sowie seine sonstigen betriebsverfassungsrechtlichen Überwachungspflichten und das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat eines Arbeitgebers im Gesundheitsbereich ohne Erfolg die Überlassung von Entgeltlisten verlangt.

Daraufhin hat der Betriebsrat beim zuständigen Arbeitsgericht im Rahmen eines Beschlussverfahrens sinngemäß beantragt,

  • die Arbeitgeberin zu verpflichten, dem Betriebsausschuss die Listen über die Bruttoentgelte für den Zeitraum vom Juni 2018 bis zum November 2018 in Bezug auf alle im Betrieb beschäftigten Mitarbeiter mit Ausnahme der leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG dauerhaft in elektronischer Form zu überlassen und die Listen insbesondere wie folgt aufzuschlüsseln: Zugehörigkeit zum Geschlecht, Tarifgrundentgelt, Zuschläge jeder Art, Zulagen und Sondervergütungen jeder Art (auch individuell ausgehandelte), Prämien und Gratifikationen;

hilfsweise

  • die Arbeitgeberin zu verpflichten, dem Betriebsausschuss die Listen über die Bruttoentgelte für den Zeitraum vom Juni 2018 bis zum November 2018 in Bezug auf alle im Betrieb beschäftigten Mitarbeiter mit Ausnahme der leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG dauerhaft in Papierform zu überlassen und die Listen insbesondere wie folgt aufzuschlüsseln: Zugehörigkeit zum Geschlecht, Tarifgrundentgelt, Zuschläge jeder Art, Zulagen und Sondervergütungen jeder Art (auch individuell ausgehandelte), Prämien und Gratifikationen;

äußerst hilfsweise

  • die Arbeitgeberin zu verpflichten, dem Betriebsausschuss die Listen über die Bruttoentgelte für den Zeitraum vom Juni 2018 bis zum November 2018 in Bezug auf alle im Betrieb beschäftigten Mitarbeiter mit Ausnahme der leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG zum Zwecke der Anfertigung von Kopien bzw. Anfertigung von Abschriften für die Dauer dieser Anfertigung von Abschriften bzw. Kopien zu überlassen und die Listen insbesondere wie folgt aufzuschlüsseln: Zugehörigkeit zum Geschlecht, Tarifgrundentgelt, Zuschläge jeder Art, Zulagen und Sondervergütungen jeder Art (auch individuell ausgehandelte), Prämien und Gratifikationen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, das Begehren abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde beim BAG verfolgt der Betriebsrat sein Begehren weiter.

Auszüge aus der Urteilsbegründung

a)  Das Begehren des Betriebsrats ist zulässig, aber unbegründet.

Seine gebotene Auslegung ergibt, dass der Betriebsrat ausschließlich die Überlassung näher bezeichneter Entgeltlisten in elektronischer Form an den Betriebsausschuss zu dessen dauerhafter Verfügung verlangt. Mit der buchstäblichen Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Aufschlüsselung der Listen hinsichtlich einzelner genannter Daten beschreibt der Betriebsrat lediglich die begehrten Listen und verfolgt kein gesondertes Rechtsschutzziel. Diesem vorinstanzlichen Antragsverständnis hat der Betriebsrat nicht widersprochen. Mit der beanspruchten „dauerhaften Überlassung“ zielt der Antrag auf ein nicht nur vorübergehendes Zugriffsrecht auf die Bruttoentgeltlisten. Dieses betrifft nach dem eindeutigen Antragswortlaut die Auflistung von Bruttoentgelten eines – bereits bei Einleitung des Verfahrens – in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen Zeitraums (Juni bis November 2018).

Der Betriebsrat kann die dauerhafte Überlassung der näher beschriebenen Bruttoentgeltlisten an den Betriebsausschuss unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beanspruchen.

Nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG sind dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Der Betriebsrat kann allerdings nur Einblick in Unterlagen verlangen, die der Arbeitgeber – zumindest in Form einer elektronischen Datei – tatsächlich besitzt; ein auf Herstellung nicht existenter Listen gerichteter Anspruch lässt sich nicht auf § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG stützen.

Das Recht des § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG, in die Listen über Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen, unterliegt den Grenzen der allgemeinen Regelung in § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG. Es besteht nur, soweit dies zur Durchführung von Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist. Der Betriebsrat muss – sollte er auf seine Überwachungsaufgabe verweisen – kein besonderes Überwachungsbedürfnis darlegen. Der für das Einblicksrecht des § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG notwendige Aufgabenbezug ist regelmäßig schon deshalb gegeben, weil der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen hat, dass ua. die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze durchgeführt werden. Hierzu gehört auch die sich aus § 75 Abs. 1 BetrVG ergebende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Verweist der Betriebsrat auf die Prüfung der Wahrnehmung eines Mitbestimmungsrechts, wofür es der Einsicht in die Bruttoentgeltlisten bedarf, kann auch das ausreichend sein. Bei einem Verweis auf seine Aufgabe zur Förderung der Durchsetzung der Entgeltgleichheit bedarf es allerdings näherer Darlegung, für welche konkreten Förderungsmaßnahmen bestimmte Auskünfte benötigt werden. Ein allgemein gehaltener Hinweis auf die gesetzlichen Aufgaben nach den beiden Bestimmungen unter bloßer Wiederholung des Gesetzeswortlauts ist regelmäßig unzureichend.

Aus dem Vorbringen des Betriebsrats erschließt sich nicht, für welche Überwachungs- oder Förderungsaufgabe oder Geltendmachung eines Mitbestimmungsrechts er die Auflistung der Entgeltdaten von Juni bis November 2018 benötigt. Die Überwachungsaufgabe gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist vorrangig gegenwarts- und zukunftsbezogen, um den Arbeitgeber im Einzelfall zu künftiger Rechtsbefolgung anzuhalten. Auch hinsichtlich der Förderungsaufgaben nach § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG liegt nicht auf der Hand, inwieweit hierfür vergangenheitsbezogene Daten notwendig sein sollen, zumal eine spezifische Maßnahme vom Betriebsrat nicht genannt, sondern nur der Gesetzestext wiederholt wird. Für die Wahrnehmung welcher entgeltbezogenen Mitbestimmung die erstrebte Auflistung der Entgeltdaten von Juni bis November 2018 gebraucht wird, ist gleichfalls nicht ersichtlich.

Einen erforderlichen Aufgabenbezug unterstellt, bewirkt auch dies keinen Anspruch auf dauerhafte Überlassung der Bruttoentgeltlisten an den Betriebsausschuss. Aus § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG folgt – in Abgrenzung zum Anspruch des § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG – ein Anspruch auf Einblicknahme in die Listen über Bruttolöhne und -gehälter und nicht auf deren Zurverfügungstellung.

b)  Die erstrebte Listenüberlassung folgt nicht aus § 13 Abs. 2 Satz 1 oder § 13 Abs. 3 EntgTranspG.

Das entgeltlistenbezogene Einsichts- und Auswertungsrecht des § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG ist an die Zuständigkeit des Betriebsrats für die Beantwortung individueller Auskunftsverlangen nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG gebunden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Betriebsrat für die Beantwortung konkreter, individueller Auskunftsverlangen zuständig ist. Er hat dies auch nicht behauptet und sein Verlangen ausschließlich mit der allgemeinen Überwachungs- und Förderungsaufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2a BetrVG sowie der Wahrnehmung seiner Mitbestimmungsrechte begründet. Im Übrigen scheitert ein auf § 13 Abs. 2 Satz 1 oder § 13 Abs. 3 EntgTranspG gestützter Überlassungsanspruch auch am vergangenheitsbezogenen Leistungsgegenstand. Es erschließt sich nicht, weshalb die dauerhafte Überlassung von Bruttoentgeltlisten für den Zeitraum Juni bis November 2018 für die Beantwortung individueller Auskunftsverlangen relevant sein könnte.

Ungeachtet dessen vermittelt die Einsichts- und Auswertungsberechtigung des § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG kein Recht auf dauerhafte Überlassung der Listen über die Bruttolöhne und -gehälter iSd. § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG. Das gilt ebenso für das Einblicksrecht des § 13 Abs. 3 Satz 1 EntgTranspG. Das folgt neben Wortlaut und Gesetzessystematik deutlich aus der Entstehungsgeschichte der Normen.

Fundstelle: Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 29.09.2019, 1 ABR 32/19 – abrufbar im Internet beispielsweise unter https://www.bag-urteil.com/29-09-2020-1-abr-32-19/