Eine außerordentliche Kündigung wegen heimlicher Gesprächsaufzeichnung ist nicht immer rechtens

Der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs ist an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Trotzdem kann eine Kündigung deswegen im Einzelfall unwirksam sein.

Sachverhalt

Der Kläger ist als Verkaufsberater in einer Filiale des beklagten Unternehmens tätig. Eines Tages verließ der Kläger bereits vor seinem eigentlichen Dienstende um 18:00 Uhr gegen 17.45 Uhr seinen Arbeitsplatz. Deswegen kam es am Morgen des nächsten Tages zwischen dem Kläger und einer Kollegin, die ihm das vorzeitige Verlassen seines Arbeitsplatzes am Vortag vorwarf, zu einer Auseinandersetzung. Im Anschluss daran rief der Kläger seinen vorgesetzten Filialleiter über den Ladenfunk aus und bat ihn, zum Mitarbeiterbüro zu kommen. Nachdem der Kläger seinen Vorgesetzten von der Auseinandersetzung mit seiner Kollegin berichtet hatte, kam es zu einem Streitgespräch zwischen dem Kläger und dem Filialleiter. In diesem Gespräch betätigte der Kläger ohne Wissen seines Vorgesetzten die Aufnahmetaste seines Smartphones und zeichnete das Gespräch heimlich auf.

In der Folgezeit war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Der von der Beklagten eingeschaltete medizinische Dienst der Krankenversicherung teilte in seinem sozialmedizinischen Gutachten mit, dass die Zweifel des Arbeitgebers an der Arbeitsunfähigkeit sozialmedizinisch nicht berechtigt seien. Ferner heißt es in der sozialmedizinischen Beurteilung: „Es ist zu erwarten, dass eine Wiederaufnahme der letzten Tätigkeit beim Arbeitgeber rasch zu einer Eskalation des Störungsbildes führen würde. Die Tätigkeit kann daher dort nicht mehr aufgenommen werden.“

Der Kläger hat beim Arbeitsgericht Koblenz unter dem Aktenzeichen 12 Ca 11/20 seinen Vorgesetzten auf Zahlung von Schmerzensgeld und Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verklagt. Als Beweis für den Inhalt des erwähnten Streitgesprächs hat der Kläger das Vorspielen der in seinem Besitz befindlichen Tonaufzeichnung angeboten.

Nachdem der Filialleiter die Klageschrift an die Beklagte geschickt hatte, wurde der Kläger von der Beklagten zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung wegen der ihm vorgeworfenen heimlichen Aufzeichnung des mit seinem Vorgesetzten geführten Personalgesprächs angehört. Mit anwaltlichem Schreiben nahm der Kläger hierzu Stellung und führte zur Rechtfertigung der von ihm bestätigten Gesprächsaufzeichnung an, dass er sich aufgrund der von ihm geschilderten diskriminierenden Äußerungen seines Vorgesetzten in einer Notstandssituation befunden habe.

Daraufhin kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich. Hiergegen wandte sich der Kläger erfolgreich mit einer Kündigungsschutzklage an das Arbeitsgericht Koblenz. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz ein. Dieses bestätigte die Unwirksamkeit der außerordentlichen wie ordentlichen Kündigung.

Aus den Entscheidungsgründen

Wer ein Gespräch ohne Zustimmung des Gesprächspartners auf einem Tonträger heimlich aufnimmt, verletzt in der Regel das durch Art. 2 Abs. 1  i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dieses schützt auch das Recht am gesprochenen Wort, das die Selbstbestimmung über die eigene Darstellung der Person in der Kommunikation mit anderen gewährleistet. Der Schutz umfasst die Möglichkeit, sich in der Kommunikation nach eigener Einschätzung situationsangemessen zu verhalten und sich auf die jeweiligen Kommunikationspartner einzustellen. Zum Grundrecht gehört die Befugnis selbst zu bestimmen, ob der Kommunikationsinhalt einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Das Selbstbestimmungsrecht erstreckt sich mithin auf die Auswahl der Personen, die Kenntnis vom Gesprächsinhalt erhalten sollen. Dieses Selbstbestimmungsrecht findet einen Ausdruck in der Befugnis des Menschen, selbst und allein zu entscheiden, ob sein Wort auf einen Tonträger aufgenommen und damit möglicherweise Dritten zugänglich werden soll, womit Wort und Stimme von dem Kommunikationsteilnehmer losgelöst und in einer für Dritte verfügbaren Gestalt verselbständigt werden. Menschliche Kommunikation soll durch das Grundrecht dagegen geschützt sein, dass die Worte - eine vielleicht unbedachte oder unbeherrschte Äußerung, eine bloß vorläufige Stellungnahme im Rahmen eines sich entfaltenden Gesprächs oder eine nur aus einer besonderen Situation heraus verständliche Formulierung - bei anderer Gelegenheit und in anderem Zusammenhang hervorgeholt werden, um durch Inhalt, Ausdruck oder Klang gegen den Sprechenden zu zeugen. Das Grundgesetz schützt deshalb davor, dass Gespräche heimlich aufgenommen und ohne Einwilligung des Sprechenden oder gar gegen dessen erklärten Willen verwertet werden. Dass die Rechtsordnung diesem Aspekt des Schutzes hohe Bedeutung beimisst, zeigt sich auch daran, dass bereits die unbefugte Aufnahme des nicht öffentlich gesprochenen Wortes eines anderen auf einem Tonträger gemäß § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit Strafe bedroht ist. Im Hinblick darauf, dass danach das Grundgesetz dem Persönlichkeitsrecht einen hohen Stellenwert zuweist, kann dem Interesse, eine ohne Einwilligung erstellte Tonaufzeichnung in einem Rechtstreit als Beweismittel zu benutzen, nur in besonderen Ausnahmefällen Vorrang vor dem Schutz des gesprochenen Wortes zukommen. Das allgemeine private Interesse, sich über den Inhalt eines Gesprächs ein Beweismittel für eine mögliche Auseinandersetzung zu verschaffen und dieses dann in einem etwaigen Prozess zu verwenden, um zivilrechtliche Ansprüche durchzusetzen, reicht dazu nicht aus. Vielmehr müssen besondere Umstände vorliegen, die über das allgemeine Beweisinteresse jeder Prozesspartei hinaus ein derart schutzbedürftiges Interesse an der beweismäßigen Verwendung der Tonaufzeichnung begründen, dass ihm der Vorrang vor dem Recht des Gesprächspartners zur Selbstbestimmung über sein gesprochenes Wort eingeräumt werden muss.

Der Kläger hat bei seiner persönlichen Anhörung zum Ablauf des Geschehens erklärt, dass der Filialleiter zu ihm gesagt habe: „Ihr Moslems lügt doch alle. Das steht doch bei euch im Koran. Ihr belügt doch auch eure Frauen.“ Daraufhin sei er völlig geschockt gewesen, sei zu seinem Spind und mit seinem Handy mit eingeschalteter Diktierfunktion zum Filialleiter zurückgegangen. Er habe den Vorgesetzten nochmals darauf angesprochen, warum er denn so etwas sagen würde. Daraufhin habe Herr E. die Äußerungen sinngemäß wiederholt und u.a. nochmals geäußert: „Ihr Moslems lügt doch alle.“ Daraufhin habe er erwidert, dass das Verhalten des Vorgesetzten nicht menschlich sei und er unter solchen Bedingungen nicht arbeiten könne und zum Arzt gehe. Das habe er dann gemacht und sei zum Arzt gegangen, der ihn dann krankgeschrieben habe.

Auch wenn man davon ausgeht, dass der Kläger mit der heimlichen Aufzeichnung des zwischen ihm und dem Filialleiter geführten Gesprächs die ihm obliegende Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat und die von ihm geschilderte besondere (Not-)Situation noch keinen Rechtfertigungsgrund zur Rechtfertigung der damit erfolgten Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts seines Vorgesetzten abzugeben vermag, lässt gleichwohl sein - unwiderlegtes - (Entlastung-)Vorbringen die ihm vorgeworfene Pflichtverletzung jedenfalls in einem milderen Licht erscheinen. Danach hat der Filialleiter mit den geschilderten beleidigenden bzw. diskriminierenden Äußerungen zuvor seinerseits das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt und auch noch mit der vom Kläger als Drohung empfundenen Äußerung, dass wenn er etwas sagen würde, er den Spieß umdrehen und man ihm doch sowieso nicht glauben würde, die erst danach erfolgte Gesprächsaufzeichnung veranlasst. In dieser besonderen und vom Kläger zumindest nachvollziehbar als ausweglos angesehenen Situation hat er sich veranlasst gesehen, die von ihm als diskriminierend empfundenen Äußerungen seines Vorgesetzten nach dem von ihm erst während des Gesprächs spontan gefassten Entschluss heimlich aufzuzeichnen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass auch in der vom Kläger geschilderten Situation keine heimliche Gesprächsaufzeichnung gerechtfertigt war, hat sich der Kläger nach seiner unwiderlegten Einlassung zumindest über die Pflichtwidrigkeit seines Tuns geirrt. Ein darin liegender - wenn auch vermeidbarer - Verbotsirrtum ist jedenfalls bei der Gewichtung der Pflichtverletzung zu berücksichtigen und lässt diese unter den dargestellten Besonderheiten des vorliegenden Falls in einem deutlich milderen Licht erscheinen. Soweit der Kläger im Rahmen der von ihm gegen den Filialleiter erhobenen Klage die Tonaufzeichnung des Gesprächs als Beweismittel angeboten hat, ist ggf. im gerichtlichen Verfahren zu entscheiden, ob dieses Beweismittel einem Beweisverwertungsverbot unterliegt oder nicht. Weiterhin ist bei der Interessenabwägung die langjährige Betriebszugehörigkeit des Klägers zu berücksichtigen. Danach war das Arbeitsverhältnis - bis auf das beanstandete vorzeitige Verlassen des Arbeitsplatzes und den zur Kündigung herangezogenen Vorfall - mehr als 17 Jahre störungsfrei verlaufen. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen ist es der Beklagten zuzumuten, das langjährig bestehende sowie ansonsten über 17 Jahre störungsfrei verlaufene Arbeitsverhältnis fortzusetzen und den Kläger ggf. zur Vermeidung weiterer Konflikte mit seinem Vorgesetzten in eine andere Filiale zu versetzen. Die außerordentliche Kündigung erweist sich mithin als unverhältnismäßig.

Fundstelle: Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19.11.2021, Az. 2 Sa 40/21 – abrufbar im Internet beispielsweise unter https://www.landesrecht.rlp.de/bsrp/document/JURE220024858