Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Gemäß Art. 17 DSGVO kann ein Betroffener nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte verlangen.

Sachverhalt

Der Kläger war als Oberarzt bei der Beklagten beschäftigt und war vertraglich dazu verpflichtet auch sogenannte Rufdienste zu absolvieren.

Nachdem der Kläger nach Ansicht der Beklagten während seines Rufbereitschaftsdienstes seine Pflichten aus § 10 Abs. 8 S. 1 TV-Ärzte/VKA verletzt habe, indem er nicht schnell genug nach einer telefonischen Benachrichtigung durch den Operateur im Operationssaal erschienen sei und dadurch der zu operierende Patient länger als notwendig narkotisiert werden musste, erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung.

Nachdem er gekündigt hatte, verlangte der Kläger die Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte gemäß Art. 17 Abs. 1 DSGVO. Die Beklagte hatte dies mit der Begründung abgelehnt, dass ein Anspruch des Klägers auf Entfernung der Abmahnung gemäß Art. 17 Abs. 1 DSGVO schon daran scheitere, dass sie, die Beklagte, – unstreitig – ihre Personalakten in Papierform führe.

Nachdem das Arbeitsgericht Herford in erster Instanz zu Gunsten der Beklagten entschieden hatte, gab das Landesarbeitsgericht Hamm in der Berufungsverhandlung dem Kläger recht und verurteilte die Beklagte dazu, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.

Aus den Gründen

Nach Artikel 17 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass die betreffenden personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht werden, wenn u. a. die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Die Regelung entspricht den Erwägungen des Europäischen Parlaments und dem Rat der europäischen Union zur DSGVO, wonach eine betroffene Person ein Recht auf Berichtigung der sie betreffenden personenbezogenen Daten sowie ein „Recht auf Vergessenwerden“ haben sollte, wenn die Speicherung ihrer Daten gegen diese Verordnung verstößt. Insbesondere sollten betroffene Personen Anspruch darauf haben, dass ihre personenbezogenen Daten gelöscht und nicht mehr verarbeitet werden, wenn die personenbezogenen Daten hinsichtlich der Zwecke, für die sie erhoben bzw. anderweitig verarbeitet wurden, nicht mehr benötigt werden (Nr. 65 der Erwägungen).

Die Angaben in der Abmahnung sind personenbezogene Daten i. S. d. DSGVO. Nach Artikel 4 Nr. 1 der DSGVO sind „personenbezogene Daten“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. „Als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einen Namen, zu einer Nummer, zu Standortdaten, zu einer Onlinekennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.“

Auch in einer in Papierform geführten Personalakte werden personenbezogene Daten verarbeitet, die in einem Datensystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.

Nach Artikel 4 Nr. 6 DSGVO ist ein „Datensystem“ jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugängig sind, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder nach funktionalen oder geografischen Gesichtspunkten geordnet geführt wird.

Unter Personalakten im formellen Sinn sind diejenigen Schriftstücke und Unterlagen zu verstehen, welche der Arbeitgeber als „Personalakte“ führt und die diesen als Bei-, Neben- oder Sonderakten zugeordnet sind. Derartige Aktenbestände sind äußerlich erkennbar in Ordnern, Heftern oder Blattsammlungen geführt, entsprechend gekennzeichnet und nach der Art ihrer Registrierung oder Aufbewahrung als zueinander gehörend bestimmbar. In der Personalakte werden personenbezogene Daten strukturiert gesammelt und nach bestimmten Kriterien zugänglich gemacht.

Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Beklagte noch ein Interesse an einem Beibehalt des Abmahnungsschreibens in der Personalakte des Klägers hat. Mit einer Abmahnung übt ein Arbeitgeber sein arbeitsvertragliches Gläubigerrecht in doppelter Hinsicht aus. Zum einen weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rüge und Dokumentationsfunktion). Zum anderen fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragsgetreuen Verhalten auf und kündigt, sofern ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion). Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist die Warnfunktion entfallen. Hinsichtlich der Rüge- und Dokumentationsfunktion könnte sich noch ein Interesse am Erhalt der Abmahnung für den Arbeitgeber ergeben, soweit dies zur Abwehr von etwaigen Ansprüchen des Arbeitnehmers oder zur Begründung eigener Ansprüche gegen den Arbeitnehmer erforderlich erscheint.

Im vorliegenden Fall sind solche Gründe nicht gegeben. Zwischen den Parteien bestehen keine weiteren arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen, bei denen es für die Beklagte erforderlich sein könnte, die Abmahnung noch heranzuziehen.

Das Recht auf Löschen in der Form der Entfernung der Abmahnung wird nicht durch § 35 BDSG eingeschränkt. Insbesondere ist die Entfernung der Abmahnung mit keinerlei Aufwand für die Beklagte verbunden.

Der Anspruch des Klägers auf Löschung in Form der Entfernung der Abmahnung wird auch nicht wegen § 26 BDSG (Artikel 80 DSGVO) ausgeschlossen oder beschränkt. § 26 BDSG steht unter dem Kapitel 1 „Rechtsgrundlagen der Verarbeitung personenbezogener Daten“ in dessen Abschnitt 2 „Besondere Verarbeitungssituationen“ und regelt die Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses. Unberührt hiervon bleiben die Vorschriften unter Kapitel 2 „Rechte der betroffenen Personen“ (§ 32 ff. BDSG).

Artikel 17 DSGVO verlangt nicht die Darlegung des Klägers, dass es objektive Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Abmahnung ihm noch schaden könnte.

Fundstelle: Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm, 6 Sa 87/22, vom 13.09.2022 – abrufbar im Internet beispielsweise unter https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2022/6_Sa_87_22_Urteil_20220913.html