Fristlose Kündigung wegen unerlaubten Zugriffs auf eine E-Mail

Der unerlaubte Zugriff auf eine offensichtlich private E-Mail und das daraufhin erfolgte Kopieren berechtigt den Arbeitgeber zu einer fristlosen Kündigung.

Die Klägerin war bei der beklagten kirchlichen Arbeitgeberin in der Verwaltung unter anderem mit der Buchhaltung beschäftigt. Für die Tätigkeit in der Verwaltung war die Klägerin berechtigt, auf das E-Mail-Konto der Kirchengemeinde zuzugreifen.

Im Jahr 2019 gewährte die Beklagte Frau A Kirchenasyl. Der Pfarrer der Kirchengemeinde (Herr C.) und Frau A hatten im Jahr 2019 eine Beziehung, deren Art zwischen den Parteien im Streit steht.

Anfang November 2019 wurde dem Pfarrer der Kirchengemeinde eine E-Mail übersandt, in der er darauf hingewiesen wurde, dass sich Frau A. im Kirchenasyl befinde. Zudem soll nach Behauptung der Klägerin in der E-Mail der Pfarrer auf das gegen ihn laufende Ermittlungsverfahren wegen eines möglicherweise strafrechtlich relevanten Fehlverhaltens in Umgang mit Frau A. hingewiesen worden sein.

Mitte November 2019 griff die Klägerin auf das E-Mail-Konto der Beklagten zu, las diese E-Mail und druckte sie aus.

Des Weiteren öffnete die Klägerin eine E-Mail mit der Bezeichnung „Chatverlauf Ca“ (Name von Frau A.) und kopierte die Datei mit dem angehängten Chatverlauf auf einem USB-Stick. Nach circa einer Woche ließ die Klägerin einem Gemeindemitglied den USB-Stick mit dem Chatverlauf zukommen. Später übergab die Klägerin den Chatverlauf an die Staatsanwaltschaft.

Auf diesen Vorgang wurde die Kirchengemeinde von Seiten des Pfarrers hingewiesen. Daraufhin kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos.

Gegen diese Kündigung erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Aachen. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Ein „an sich“ geeigneter Grund, der den Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung rechtfertige, sei gegeben. Die rechtswidrige Datenverarbeitung der Klägerin im Arbeitsverhältnis, die mit Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Arbeitskollegen einhergeht, begründe dies. Die Klägerin habe ihre arbeitsvertraglichen Kompetenzen sowie die Schutz- und Rücksichtnahmepflichten bei der ihr anvertrauten Nutzung des Dienstcomputers überschritten, als sie erkennbar private Daten von  C öffnete, die umfangreichen privaten Chatverläufe zwischen ihm und Frau A zur Kenntnis nahm und sodann kopierte. Den Dienstcomputer habe die Klägerin nur insoweit nutzen dürfen, als dies im Rahmen ihrer arbeitsvertraglichen Erfüllung erforderlich gewesen sei. Die Klägerin habe gegen die Verpflichtungen aus § 26 BDSG verstoßen und das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Herrn C verletzt. Durch die Weitergabe der rechtswidrig erlangten Daten sowohl an Frau  W als auch an die Staatsanwaltschaft A habe die Klägerin den vorherigen Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Herrn C vertieft. Selbst bei angemessener Berücksichtigung der der Klägerin damals bekannten Informationen und bei der aus ihrer Sicht sehr schwierigen Lage von Frau A habe die Klägerin im Ergebnis nicht den rechtlich richtigen Weg gewählt, um Frau A zu unterstützen. Dies habe die Klägerin auch erkennen können. Trotzdem wäre bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und in Abwägung des Bestandsinteresses der Klägerin mit dem Beendigungsinteresse der Beklagten eine Abmahnung eine angemessene Reaktion auf das Fehlverhalten der Klägerin gewesen. Die außerordentliche fristlose Kündigung sei nicht verhältnismäßig.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Köln eingelegt.

Aus dem Urteil des LAG Köln

Die Kündigung der Beklagten vom 24.09.2020 hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgelöst, ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB für den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung liegt nach Ansicht des Gerichts vor, die Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB wurde gewahrt und die Mitarbeitervertretung vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Allein das Lesen der E.Mails, die offensichtlich an einen anderen Empfänger adressiert sind und eindeutig privaten Inhalt haben, mag möglicherweise als solches nicht „an sich“ geeignet sein, einen wichtigen Grund darzustellen. Dies mag insbesondere vor dem Hintergrund des eingeräumten Zugriffsrechts gelten. Allerdings habe die Klägerin durch das Ausdrucken und das Kopierern ihre Berechtigung erheblich überschritten. Aus Versehen mag sie den ersten Satz der E-Mail gelesen haben, das Öffnen, den Druckbefehl und das Kopieren zu veranlassen, sei bewusst erfolgt. Für den Pflichtverstoß ist es unerheblich, ob die Kopie aus dem E-Mail-Konto oder aus einem Ordner des Dienstcomputers erfolgt ist. Der Vortrag der Parteien spricht dafür, dass die Kopie des E-Mail-Anhangs aus dem E-Mail-Programm erstellt worden ist. Die Pflichtverstöße der Klägerin liege in dem Ausdruck der E-Mail und der Erstellung der Kopie des Anhangs „Chatverlauf Ca“.

Ein Umstand, der die Pflichtverstöße rechtfertigen und so den wichtigen Grund ausschließen würde, liege nicht vor.

Durch die Weitergabe der rechtswidrig erlangten Daten an Frau W habe die Klägerin den vorherigen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Schutz- und Rücksichtnahmepflicht vertieft, das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Herrn C und Frau A verletzt und einen weiteren Verstoß durch eine rechtswidrige Datenverarbeitung – nämlich durch das Verbreiten – begangen.

Die Beklagte habe in diesem Fall bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes keine Abmahnung oder ordentliche Kündigung aussprechen müssen. Die durchzuführende Interessenabwägung gehe zu Lasten der Klägerin aus.

Für die Klägerin sei erkennbar gewesen, dass die Beklagte auch einmalig das Lesen, Ausdrucken, das Kopieren der Daten und deren Weitergabe nicht billigen würde. Für die Klägerin sei erkennbar gewesen, dass die Beklagte ihr den Zugriff auf das E-Mail-Konto nur im Hinblick auf ihre arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung – die Buchführung – eingeräumt habe. Es sei für die Klägerin erkennbar gewesen, dass eine Weitergabe privater Daten an Dritte, möglicherweise mit Ausnahme der Staatsanwaltschaft oder des Landeskirchenamtes, für die Beklagte als Arbeitgeberin nicht hinnehmbar ist.

Fundstelle: Urteil des LAG Köln vom 02.11.2021 (4 Sa 290/21) – abrufbar im Internet u. a. unter https://openjur.de/u/2382746.html