Verarbeitung personenbezogene Beschäftigtendaten für eine Interessenvertretung

Soweit § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG vorsieht, dass personenbezogene Daten von Beschäftigten verarbeitet werden dürfen, wenn dies zur Erfüllung eines sich aus dem Gesetz ergebenden Rechts der Interessenvertretung der Beschäftigten erforderlich ist, stellt die Norm eine Rechtsgrundlage i. S. v. Art. 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DSGVO dar.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über einen Auskunftsanspruch des Betriebsrats. Dieser hatte von der Arbeitgeberin verlangt, ihm ein Verzeichnis über alle im Betrieb und Unternehmen beschäftigten schwerbehinderten und diesen gleichgestellten behinderten Menschen zu übermitteln. Er habe darauf zu achten, dass die Arbeitgeberin ihre vielseitigen - im Einzelnen benannten - Pflichten gegenüber dieser Personengruppe erfülle. Zudem habe er die Aufgabe, auf die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung hinzuwirken. Dem könne er nur nachkommen, wenn ihm bekannt sei, welche Arbeitnehmer schwerbehindert oder einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt seien. Datenschutzrechtliche Gesichtspunkte ständen dem Auskunftsanspruch nicht entgegen.

Die Arbeitgeberin erteilte jedoch lediglich die Auskunft, der Schwellenwert für die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung im Betrieb sei erreicht.

Sowohl das Arbeitsgericht Karlsruhe als auch das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg haben dem Auskunftsanspruch des Betriebsrats bestätigt. Daraufhin legte die Arbeitgeberin Beschwerde beim Bundesarbeitsgericht (BAG) ein.

Auszüge aus dem Urteil des BAG

Sowohl nach § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG als auch nach § 176 Satz 1 SGB IX hat der Betriebsrat die Aufgabe, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zu fördern. Diese einheitliche Förderpflicht wird – wie die Formulierung „insbesondere“ zeigt – durch die in § 176 Satz 2 SGB IX genannten Aufgaben konkretisiert. Danach hat der Betriebsrat u. a. darauf zu achten, dass die dem Arbeitgeber nach §§ 154, 155 und 164 bis 167 SGB IX obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden. Die dem Betriebsrat damit -– ungeachtet des § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG – ausdrücklich zugewiesene Aufgabe, die Einhaltung dieser im Neunten Buch Sozialgesetzbuch normierten Vorgaben durch den Arbeitgeber zu überwachen, ist damit integraler Bestandteil der ihm obliegenden Pflicht nach § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG i. V. m. § 176 Satz 1 SGB IX.

Der Betriebsrat hat daher die Aufgabe zu überprüfen, ob der sich aus § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX ergebende Anspruch schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter behinderter Menschen (§ 151 Abs. 1 und 3 SGB IX) gegenüber ihrem Arbeitgeber auf eine Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können, erfüllt wird. Diese spezifische Beschäftigungspflicht trifft die Arbeitgeberin nicht erst bei konkreten, von ihr initiierten personellen Einzelmaßnahmen. Der Betriebsrat muss vielmehr auch in Bezug auf die bereits im Betrieb tätigen schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Arbeitnehmer überwachen, ob die Arbeitgeberin ihnen gegenüber ihrer Pflicht zu einer den Vorgaben des § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX entsprechenden Beschäftigung nachkommt. Ein besonderer Anlass für die Wahrnehmung dieser Aufgabe ist nicht erforderlich.

Ausgehend hiervon ist die für den Auskunftsanspruch aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG unerlässliche Erforderlichkeit der vom Betriebsrat erstrebten Informationen gegeben. Der Betriebsrat benötigt für die Wahrnehmung seiner Aufgaben aus § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG i. V. m. § 176 Satz 1 und Satz 2 Halbs. 1, § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, 4 und 5 sowie Abs. 5 Satz 3 SGB IX die Namen aller der Arbeitgeberin bekannten im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Arbeitnehmer. Nur dann kann er überwachen, ob diese Arbeitnehmer ihre Fähigkeiten und Kenntnisse im Rahmen ihrer Beschäftigung möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können (§ 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX), ob ihre Arbeitsplätze mit den erforderlichen Hilfsmitteln ausgestattet sind (§ 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 SGB IX) und ob wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung ggf. eine kürzere Arbeitszeit für sie notwendig ist (§ 164 Abs. 5 Satz 3 SGB IX).

Der Auskunftsanspruch des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Nr. 4 BetrVG, § 176 Satz 2 Halbs. 1, § 164 SGB IX besteht unabhängig davon, ob die betroffenen Arbeitnehmer ihr Einverständnis erteilt haben. Die Erfüllung der dem Betriebsrat von Gesetzes wegen zugewiesenen Aufgaben ist nicht von einer Einwilligung der Arbeitnehmer abhängig. Zudem dienen die Aufgaben und die für ihre Wahrnehmung notwendigen Auskunftsansprüche des Betriebsrats der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Normvollzugs durch den Arbeitgeber und stehen nicht zur Disposition der Arbeitnehmer.

Dem Auskunftsanspruch stehen keine datenschutzrechtlichen Gründe entgegen. Die Weitergabe der begehrten Daten an den Betriebsrat ist nach § 26 Abs. 3 i. V. m. § 22 Abs. 2 BDSG zulässig.

Nach § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG ist die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses – abweichend von Art. 9 Abs. 1 DSGVO – zulässig, wenn sie zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt. Entsprechend § 22 Abs. 2 BDSG sind hierfür angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Person vorzusehen (§ 26 Abs. 3 Satz 3 BDSG).

Die Zulässigkeit der Verarbeitung derartiger Daten erfordert nach § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG ausdrücklich, dass kein Grund zu der Annahme besteht, das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiege. Die entsprechende Geltungsanordnung von § 22 Abs. 2 BDSG nach § 26 Abs. 3 Satz 3 BDSG stellt den Schutz der Grundrechte und die Wahrung der Interessen der Betroffenen sicher. Danach sind bei der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Person vorzusehen.

Die Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DSGVO durch § 26 Abs. 3 BDSG ist auch nicht deshalb unzureichend, weil der Gesetzgeber die erforderlichen angemessenen und spezifischen Maßnahmen nicht selbst abschließend festgelegt hat.

Bei dem Begriff der angemessenen und spezifischen Maßnahmen handelt es sich daher um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Ob die im Einzelfall getroffenen Maßnahmen datenschutzrechtlich ausreichend sind, unterliegt deshalb der – rechtsbeschwerderechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren – Würdigung der Tatsachengerichte. Sie ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur darauf überprüfbar, ob der jeweilige Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen wurde oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen wurden.

Da der Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG einen – gesetzlichen – Anspruch darauf hat, dass ihm die Arbeitgeberin die Namen der schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Arbeitnehmer mitteilt, ist die damit verbundene Datenverarbeitung i. S. v. § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG zur Erfüllung einer rechtlichen Pflicht aus dem Arbeitsrecht auch erforderlich.

Durch das Kriterium der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung nach § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG ist sichergestellt, dass ein an sich legitimes Ziel nicht zum Anlass genommen wird, überschießend personenbezogene Daten i. S. v. Art. 9 Abs. 1 DSGVO zu verarbeiten. Bei einer auf Beschäftigtendaten bezogenen datenverarbeitenden Maßnahme des Arbeitgebers bedingt dies entsprechend der Bekundung des Gesetzgebers eine Abwägung widerstreitender Grundrechtspositionen im Weg praktischer Konkordanz und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung. Diesen Anforderungen ist genügt, wenn die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Erfüllung eines sich aus dem Gesetz ergebenden Rechts der Interessenvertretung der Beschäftigten – und damit einer „aus dem Arbeitsrecht“ i. S. v. § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG resultierenden Pflicht des Arbeitgebers – erforderlich ist.

Fundstelle: Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 09.05.2023, Az. 1 ABR 14/22 – abrufbar im Internet unter https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/1-abr-14-22/