Welche Möglichkeiten bestehen, um einen Verstoß nach dem Whistleblower-Gesetz zu melden

Das Hinweisgeberschutzgesetz sieht zwei Möglichkeiten für hinweisgebende Personen vor, um Informationen über einen Verstoß zu melden.

Hinweisgebende Personen (z. B. Beschäftigte) können nach § 7 Abs. 1 HinSchG wählen, ob sie sich an eine interne Meldestelle oder eine externe Meldestelle wenden, um Informationen über einen Verstoß nach dem Hinweisgeberschutzgesetz zu melden.

Sinnvollerweise sollten sie sich in den Fällen, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien (z. B. durch den Beschäftigungsgeber) befürchten, die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen. Wenn einem intern gemeldeten Verstoß allerdings nicht abgeholfen wurde, bleibt es der hinweisgebenden Person unbenommen, sich an eine externe Meldestelle zu wenden, auch wenn sie sich zunächst an eine interne Meldestelle gewandt haben.  Sie können sich aber auch direkt an eine externe Meldestelle wenden und jederzeit denjenigen Meldekanal wählen, der sich angesichts der fallspezifischen Umstände am besten eignet.

Begriffserläuterungen

a) Verstoß

Verstöße sind nach § 3 Abs. 2 HinSchG insbesondere Handlungen und Unterlassungen im Rahmen einer beruflichen, unternehmerischen oder dienstlichen Tätigkeit, die rechtswidrig sind. Die Eingrenzung stellt klar, dass nur die Meldung oder Offenlegung solcher Verstöße nach diesem Gesetz geschützt ist, die im Zusammenhang mit einer beruflichen, unternehmerischen oder dienstlichen Tätigkeit stehen. Nicht geschützt wird dahingehen die Meldung oder Offenlegung eines rein privaten Fehlverhaltens.

Ein Verstoß im Sinne dieses Gesetzes liegt auch dann vor, wenn das Verhalten oder Unterlassen missbräuchlich ist und dem Ziel oder dem Zweck der Vorschriften im sachlichen Anwendungsbereich zuwiderläuft.

Mit dieser Regelung werden auch missbräuchliche Praktiken im Sinne der EuGH-Rechtsprechung vom Anwendungsbereich umfasst, das heißt solche, die zwar in formaler Hinsicht nicht als rechtswidrig erscheinen, die jedoch mit dem Ziel oder Zweck der einschlägigen Rechtsvorschriften unvereinbar sind. Der vom EuGH entwickelte allgemeine Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken, wie er z. B. im Bereich der Mehrwertsteuer durch die aus dem Halifax-Urteil des EuGH hervorgegangene Rechtsprechung angewandt wird, hat seine Grundlage in der ständigen Rechtsprechung des EuGH, wonach zum einen eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht erlaubt ist und zum anderen die Anwendung des Unionsrechts nicht so weit gehen kann, dass die missbräuchlichen Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern gedeckt werden, d. h. diejenigen Umsätze, die nicht im Rahmen normaler Handelsgeschäfte, sondern nur zu dem Zweck getätigt werden, missbräuchlich in den Genuss von im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Vorteilen zu kommen. Die Versagung eines Rechts oder Vorteils wegen missbräuchlicher oder betrügerischer Tätigkeiten ist daher nach der Rechtsprechung des EuGH auch nur die bloße Folge der Feststellung, dass im Fall von Betrug oder Rechtsmissbrauch die objektiven Voraussetzungen für die Erlangung des ersuchten Vorteils in Wirklichkeit nicht erfüllt sind und daher für die Versagung keine spezielle Rechtsgrundlage erforderlich ist.

b) Informationen über Verstöße

Die Definition von Informationen über Verstöße ist nach § 3 Abs. 3 HinSchG weit zu verstehen und umfasst neben Verstößen auch begründete Verdachtsmomente und neben tatsächlichen auch potentielle Verstöße, so dass unter die Begrifflichkeit „Information über Verstöße“ auch begründete Verdachtsmomente über einen potentiellen, im Ergebnis sich aber nicht bestätigenden Verstoß fallen. Um Verstöße wirksam zu unterbinden, ist der Schutz auch für solche Personen gerechtfertigt, die zwar keine eindeutigen Beweise beibringen, aber begründete Bedenken oder einen begründeten Verdacht äußern.

c) Meldungen

Zentrale Voraussetzung für den Schutz hinweisgebender Personen nach dem Whistleblower-Gesetz ist neben dem in der Praxis seltenen Fall einer Offenlegung das Erstatten einer Meldung. Meldungen sind Mitteilungen von Informationen über Verstöße an interne oder externe Meldestellen (§ 3 Abs. 4 HinSchG).

d) Repressalien

Unter den Begriff der Repressalie werden alle Handlungen und Unterlassungen in einem beruflichen Zusammenhang gefasst, die eine Reaktion auf eine Meldung oder Offenlegung sind und durch die der hinweisgebenden Person ungerechtfertigte Nachteile entstehen oder entstehen können (§ 3 Abs. 6 HinSchG). Die Definition des Begriffs der Repressalie ist weit gefasst, indem sie jede benachteiligende Handlung oder Unterlassung im beruflichen Kontext einschließt. Allerdings sollen umgekehrt Beschäftigungsgeber nicht daran gehindert werden, beschäftigungsbezogene Entscheidungen zu treffen, die nicht auf die Meldung oder Offenlegung zurückzuführen sind. Tatbestandsmerkmal einer Repressalie ist die Kausalität zwischen der Meldung oder Offenlegung eines Verstoßes und der Benachteiligung.

e) Beschäftigte

§ 3 Abs. 8 HinSchG definiert den Begriff der Beschäftigten. Damit wird der Kreis der Personen festgelegt, die über interne Meldestellen eine Meldung vornehmen können. Beschäftigte im Sinne dieser Vorschrift sind neben Arbeitnehmern auch diejenigen, die zu ihrer Berufsbildung beschäftigt sind, Beamte sowie Richter (auch solche der Länder), Soldaten sowie Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind, zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten. In Heimarbeit Beschäftigte sind Heimarbeiter im Sinne des Heimarbeitsgesetzes.

f) Beschäftigungsgeber

Damit ein weitgehendes und einheitliches Schutzniveau erreicht wird und Hinweisen weitgehend intern nachgegangen werden kann, wird der Kreis der Beschäftigungsgeber weit gefasst. Neben natürlichen Personen und juristischen Personen des öffentlichen und des privaten Rechts werden rechtsfähige Personengesellschaften und sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen erfasst (§ 3 Abs. 9 HinSchG). Juristische Personen des privaten Rechts sind beispielsweise der eingetragene Verein, die eingetragene Genossenschaft, die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Stiftungen des Privatrechts. Zu den juristischen Personen des öffentlichen Rechts zählen Gebietskörperschaften, Personalkörperschaften sowie Verbandskörperschaften auf Bundes- und Landesebene. Bei Jobcentern in Form der gemeinsamen Einrichtungen nach § 44b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch sind Beschäftigungsgeber die jeweiligen Träger. Umfasst werden beispielsweise Anstalten, wie zum Beispiel die Landesrundfunkanstalten, sowie öffentlich-rechtliche Stiftungen, die evangelische und katholische Kirche mit ihren Kirchengemeinden und sonstige gemäß Artikel 140 GG, Artikel 137 Absatz 5 der Weimarer Reichsverfassung als Körperschaften des öffentlichen Rechts oder nach entsprechenden Bestimmungen des Landesrechts anerkannte oder als Vereine des BGB konstituierte Kirchen und sonstige Religionsgemeinschaften.

Verbot der Behinderung

§ 7 Abs. 2 HinSchG verbietet es, auf hinweisgebende Personen vor einer Meldung oder im Rahmen der auf eine Meldung folgenden Kommunikation mit der Meldestelle Einfluss zu nehmen, um diese von einer Meldung oder der weiteren Kommunikation mit der Meldestelle abzuhalten oder diese einzuschränken. Die Behinderung kann auf verschiedenste Weise erfolgen. Umfasst sind insbesondere Drohungen und Maßnahmen mit dem Ziel, die hinweisgebende Person einzuschüchtern. Hierzu zählt gegebenenfalls auch das missbräuchliche Anstrengen von Gerichtsverfahren, um so (potentiell) hinweisgebende Personen zu verängstigen und dadurch in ihrem Meldeverhalten zu beeinflussen. Dies kommt namentlich für solche Klagen in Betracht, die nicht der Geltendmachung eigener Rechte, sondern allein dem Ziel dienen, hinweisgebende Personen einzuschüchtern, und bei denen sich der Kläger schon nach geltendem Recht schadensersatzpflichtig machen (§ 826 BGB) oder sogar einer Strafverfolgung nach § 240 StGB aussetzen würde.

Schaffung von Anreizen durch den Beschäftigungsgeber

§ 7 Abs. 3 Satz 1 HinSchG appelliert an die Beschäftigungsgeber, Anreize für Beschäftigte zu schaffen, zunächst interne Meldeverfahren zu nutzen. Ob und inwieweit Beschäftigungsgeber Anreize für Beschäftigte schaffen, zunächst interne Meldeverfahren zu nutzen, wird bewusst nicht vorgegeben. Nicht mit den Vorgaben dieses Gesetzes vereinbar wäre es indes, den Zugang zu externen Meldestellen durch interne Vorschriften oder Vereinbarungen einzuschränken.

Die rechtliche Gleichstellung von internen und externen Meldewegen bietet Motivation für Beschäftigungsgeber zur selbständigen Optimierung der internen Meldewege. So sollen eine gute Kommunikationskultur und soziale Verantwortung gefördert werden. Wenn hinweisgebende Personen der Meinung sind, dass innerhalb der Organisation wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und keine Repressalien drohen, dürfte dies die Bereitschaft fördern, zunächst interne Meldekanäle zu nutzen. Hierzu können auch die in Satz 2 ausdrücklich normierten Informationen über das interne Meldeverfahren beitragen. Ergänzend kommen die unabhängige Stellung der internen Meldestelle und eine umfassende Unterrichtung hinweisgebender Personen über Folgemaßnahmen im Rahmen des rechtlich Zulässigen hinzu.

Der Satz 3 stellt klar, dass es nicht mit den Vorgaben dieses Gesetzes vereinbar wäre, den Zugang zu externen Meldestellen einzuschränken, etwa durch interne Vorschriften oder Vereinbarungen.